16 Tage gegen Gewalt an Frauen und Mädchen
- Bernhard Dünser Cafe am Waldrand

- vor 1 Tag
- 6 Min. Lesezeit
Geschichten, die Gewalt an Frauen erzählen.
Wenn Frauen erzählen… Geschichten, die von Gewalt an Frauen erzählen. Frauen kommen und erzählen mir - oft still, leise. Damit niemand davon erfährt. Ich bin gegen Gewalt. Überhaupt gegen alles, was Gewalt an Menschen bedeutet. In diesem Beitrag geht es um Geschichten, wie die Gewaltspirale funktioniert und wie Betroffene sich davon befreien können. Am Ende des Beitrags findest du hilfreiche Links.
Aus meinem Alltag als systemischer Berater:
🧡 #hannah sagt leise: ich kann erst in ein paar Monaten wieder kommen… sie erzählt mir, dass sie das Geld für die Zeit im #cafeamwaldrand heimlich vom Haushaltsgeld abzweigt - niemand soll wissen, das sie kommt. Vor allem ER nicht… (Passiert 2025)
🧡 Ja, ich habe meinem Chef davon erzählt, dass mir der Arbeitskollege wiederholt auf den Hintern schlägt. Wie er reagierte? Er hat mich angelächelt und gesagt, dass ich mich anders hinstellen soll… (Passiert 2024)
🧡 Sie hat mir kurzfristig die Teilnahme am Workshop abgesagt: meine Männer zuhause - Mann und Söhne - drohen mir, wenn ich dahingehe… (Passiert letzte Woche)
🧡 #hannah erzählte mir, dass sie von ihrem Vater und Onkel regelmäßig missbraucht wurde. Als sie es ihrer Mama erzählt: wen wundert es? So, wie du aussiehst… (Passiert 1995)
🧡 … ich kann eh nichts. Wer sagt das? Der Lehrer. Du bist nichts und kannst nichts. Aus dir wird nichts. (Passiert 2025)
🧡 Der Junge, der vom Chef seiner Mama sexuell missbraucht wird. Sie jedoch keine Anzeige erstattet, weil es um Beziehung und Arbeitsplatz geht! (Passiert 2025)
🧡 …und ja, vielleicht könnte hier deine Geschichte stehen …
Wenn mir Frauen, Mädchen aber auch Jungs und Männer ähnliche Geschichten erzählen, dann kommt oft als Zusatz: „Du bist der Erste, dem ich das erzähle.“ Dann werden die Betroffenen leise. "Du sagst es eh nicht weiter, oder?" Das berührt mich sehr! Und ja, mein Schaffen ist vertraulich!
Ich bin bei dir...
🧡 Weil ich weiß, wie viel Mut es braucht, über Gewalterfahrungen zu sprechen.
🧡 Weil ich weiß, dass Veränderung dann passiert, wenn du darüber sprichst.
🧡 Weil ich selbst als Betroffener von #sexuellermissbrauch
#emotionalermissbrauch und #spirituellermissbrauch weiß, wie #heilsam das darüber #reden ist.
🧡Ich ermutige dich, sprich darüber.
🧡Ich ermutige dich, hol dir #professionellehilfeWarum geht sie nicht einfach?
Diese Frage, die viele Menschen stellen, manchmal leise, manchmal vorwurfsvoll:
„Warum geht sie nicht einfach?“ „Weshalb hat sie so lange zugewartet?“
Eine Frage, die scheinbar logisch klingt – aber sie offenbart vor allem eines: ein Missverständnis darüber, was Gewaltbeziehungen mit Menschen machen.
Missverständnisse aufdecken, verstehen, erklären
Ich möchte hier als traumasensibler Coach versuchen, die Dynamik der Trauma-Bindung zu erklären. Der Blick darauf, warum Betroffene nicht „einfach“ gehen können – und warum diese Frage eigentlich die Falsche ist, soll Verständnis schaffen, weshalb Menschen in der Gewaltspirale festhängen.
Was ist Trauma-Bindung?
Trauma-Bindung – das klingt technisch, aber tatsächlich beschreibt es ein sehr menschliches, sehr verletzliches Phänomen.
Es erklärt die starke emotionale Bindung zwischen Täter und Opfer, die durch einen Wechsel aus Zuneigung und Gewalt entsteht.
Man kann es sich vorstellen wie eine Spirale oder ein emotionales Karussell, das nie stillsteht:
erst Liebe,
dann Kontrolle,
dann Entschuldigung,
dann wieder Liebe,
dann wieder Gewalt.
Und diese Wechsel sind kein Zufall.
Sie sind eine Manipulationstaktik – und sie wirken tief im und ins Nervensystem hinein.
Die Rolle der intermittierenden Verstärkung
Ein Schlüsselbegriff zur Erklärung der Trauma-Bindung ist die sogenannte intermittierende Verstärkung. Das heißt: positive Momente kommen unvorhersehbar, und genau das hält Menschen fest.
Es ist das gleiche Prinzip, das Glücksspielautomaten funktionieren lässt. Nicht die Belohnung selbst macht abhängig – sondern das unvorhersehbare Wann.
Du legst deine Münzen in die Mitte, die Spannung steigt. Die Erwartung auf den Gewinn - um dann enttäuscht festzustellen: alles weg. Doch dann sind da die anderen die dich festhalten und dich "trösten" es nochmals zu versuchen. Klar: die Hoffnung stirbt zuletzt. Was weg ist ist die "Kohle", die Energie, die dein Zuhause zu einem kalten Ort werden lässt. Und trotzdem starten sie nochmals einen Versuch...
In einer Gewaltbeziehung sieht das oft so aus:
Der Täter ist einen Tag liebevoll, fürsorglich, aufmerksam.
Am nächsten Tag erniedrigend, abwertend oder gewalttätig.
Dann folgt die „Honeymoon-Phase“, in der er Reue zeigt, Geschenke macht, schwört, sich zu ändern.
Dieser Wechsel erzeugt eine emotionale Verwirrung, die sich wie Liebe anfühlt.
Wie das Nervensystem reagiert
Unser Körper ist nicht darauf ausgelegt, ständig zwischen Alarm und Entspannung zu wechseln.
In Gewaltbeziehungen passiert genau das:
Adrenalin steigt bei Bedrohung.
Oxytocin steigt bei Nähe.
Cortisol steigt bei Dauerstress.
Dopamin steigt nach "Versöhnung"
Und diese Dopamin-/Cortisol-Schwankungen erzeugen diese starke und gleichzeitig schwierige Bindung.
Verstehen, was eine Trauma-Bindung aufrechterhält
Dieses Verständnis hilft, die Dynamik zu entmachten:
Wechsel aus Gewalt und Zuwendung: Dopamin-/Cortisol-Schwankungen erzeugen Bindung.
Isolation: Täter*innen schneiden Betroffene emotional/sozial ab.
Schuld- und Schamgefühle: werden gezielt erzeugt.
Hoffnung auf Besserung: „er/sie meint es diesmal ernst“ wirkt stark.
Sich klarzumachen, dass diese Muster systematisch sind, kann entlasten.
Diese Hormoncocktails können dazu führen, dass Betroffene regelrecht abhängig (süchtig) von der Beziehung werden – biologisch.
Auch Gefühle wie Hoffnung, Scham oder Schuld werden stärker:
Hoffnung: „Vielleicht wird es wieder wie am Anfang.“
Scham: „Vielleicht liegt es an mir.“
Schuld: „Ich will nicht aufgeben. Ich will ihm helfen.“
Das ist keine Schwäche – das ist ein Trauma-Mechanismus.
Warum gehen so viele erst, wenn es fast zu spät ist?
Viele Betroffene verlassen die Beziehung nicht, weil sie:
sozial isoliert sind,
finanziell abhängig gemacht werden,
Einschüchterung erleben,
von der Polizei oder Familie nicht ernst genommen werden,
Angst um ihre Kinder haben,
keinen sicheren Ort zum Gehen haben,
emotional gebunden sind.
Hinzu kommen reale Gefahren:
Die gefährlichste Zeit für Betroffene ist oft der Moment der Trennung oder die ersten Wochen danach.
Viele wissen das – und bleiben aus purem Überlebensinstinkt.
Es geht also nicht um „einfach gehen“.
Es geht um sicher gehen.
Was Betroffenen hilft
Wenn du Menschen kennst, die in einer Gewaltbeziehung sind – sage nie:
„Warum gehst du nicht?“ Gib ihnen das Gefühl, dass du ihre Situation siehst und für sie da bist. Höre ihnen zu. Gib ihnen den Raum für ein wirklich vertrauliches Gespräch.
Lass sie im Gespräch spüren:
· „Ich glaube dir.“
· „Du bist nicht schuld.“
· „Ich bin für dich da, egal wann.“
· „Du kannst selbst entscheiden, wann du gehst.“
· „Ich helfe dir, sicher zu planen.“
Denn Unterstützung bedeutet:
Geduld, Sicherheit, Verständnis – keine Vorwürfe.
Genau diese Gefühle, die sie in der Beziehung nicht kennen und denen sie misstrauisch gegenüber stehen - zu oft erleben sie, dass diese momentan erlebte Sicherheit schnell wieder kippen kann.
Das Nervensystem von Betroffenen ist scharf geschaltet wie eine Alarmanlage. Was kommt als nächstes?
Trauma-Bindung ist komplex – aber sie ist erklärbar.
Je mehr wir darüber wissen, desto weniger geben wir Betroffenen Schuld.
Und desto mehr können wir ihnen helfen, sich zu schützen und zu heilen.
Verena König, Traumatherapeutin, sagt:
Das Wissen über Trauma hat die Kraft, die Welt zu verändern.
Ja, dieses Wissen hat die Kraft, das Tabu von Gewalt zu brechen. Sei auch du Teil davon. Teile doch diesen Beitrag über den Link am Textende auf deinen sozialen Medien. Darüber reden stärkt Betroffene und verunsichert Täter*innen! Sei auch du Teil dieser Veränderung.
Was du weiter konkret tun kannst - als Betroffene*r oder Helfer*in
Sicherheit steht an erster Stelle
Gefahreneinschätzung: Gibt es unmittelbare Gewalt, Drohungen, Kontrolle?
Notfallplan vorbereiten:
Wo könntest du hingehen, wenn du schnell weg musst?
Welche Dokumente/Medikamente/Schlüssel solltest du griffbereit haben?
Gibt es eine Vertrauensperson, die du im Notfall informieren kannst?
Im akuten Notfall: Polizei/Notruf wählen.
Kontakt zu Unterstützungsstellen
Gewaltbeziehungen sind extrem schwer allein zu durchbrechen. Professionelle Hilfe ist kein Zeichen von Schwäche.
Gewaltschutzzentren Links am Ende des Beitrags.
Frauenhäuser / Schutzwohnungen: beraten auch anonym und ohne Verpflichtung.
Beratungsstellen für häusliche Gewalt: auch für Männer, trans, nichtbinär.
Kontakte außerhalb der Beziehung stärken
Wieder Kontakt zu Freund*innen/Familie aufnehmen – auch wenn es schwer fällt.
Unterstützende Menschen einweihen (so weit es sicher für dich ist).
Risiken einschätzen: Gespräche nicht führen, wenn der/die Täter*in mithören kann.
Mini-Schritte statt großer Sprünge
Bei einer Trauma-Bindung fühlt sich ein kompletter Ausstieg oft überwältigend an.
Erlaubt ist jeder kleine Schritt:
heimlich Informationen sammeln
eine Beratung anrufen
ein Tagebuch führen
Grenzen beobachten („Wie fühle ich mich tatsächlich?“)
Kein Druck, alles sofort schaffen zu müssen.
Selbstmitgefühl statt Selbstvorwürfe
Viele Betroffene glauben:
„Ich bin schuld“
„Ich hätte früher gehen müssen“.
Nein. Trauma-Bindung ist ein psychologischer Überlebensmechanismus, keine Schwäche.
Lass dir helfen um wieder in dein Leben zurück zu finden.
Therapie-/Beratungsmöglichkeiten
Sich jemandem anzuvertrauen, der Gewalt- und Traumadynamiken kennt, kann den Ausstieg erleichtern. Geeignet sind z. B.:
Trauma-informierte Beratung, traumasensibles Coaching
Fachstellen für häusliche Gewalt, Gewaltschutzzentren
Psychologische oder psychosoziale Beratung
Schön, dass du bis hierher gelesen hast.
Bleib aufmerksam, bleib solidarisch – und bis zum nächsten Mal
Dein Bernhard.
Und wie oben mit den Worten von Verena König beschrieben: Das Wissen über Trauma hat die Kraft die Welt zu verändern. Klicke gerne unter dem Beitrag auf Teilen. Das Reden über Gewalt ist die beste Prävention!








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